Hallo,
möchte nochmal auf das weiter oben angesprochene Thema Ökobilanz zurückkommen. Ich habe mir die Quellen, die @daiwmanex dankenswerterweise recherchiert hat, angesehen und versucht, einige Fragen, die ich im obigen Posting gestellt habe, selbst zu beantworten.
> zu: grobe Einschätzungen sehr fehleranfällig
Die Energie- und Co2-Angaben zu Stahl habe ich auch in anderen Quellen mit ähnlichen Werten gefunden. Also nehme ich an, dass zumindest die Angaben für Stahl ziemlich richtig ist.
> Frage: Beziehen sich die Daten ausschließlich auf Minenproduktion oder auch Recycling?
Soweit ich verstanden habe, gelten die Daten für Primärproduktion, also aus Minenproduktion ohne Recyclingmaterial
> Frage: Ist die Ökobilanz bei Blei gegenüber Stahl wesentlich besser, weil bei der Bleiproduktion viel mehr Recyclingmaterial verwendet wird?
Bei abgerissenem Angelblei spielt die Recyclingquote keine Rolle, denn das Material geht unwiederbringlich verloren und steht nicht mehr für Recycling zur Verfügung. Das verlorene Blei muss also aus Erz nachproduziert werden, um wieder die gleiche Menge zur Verfügung zu haben. Anders wäre es, wenn nur noch schon erzeugtes Blei verwendet werden würde, weil ein Überschuss besteht und es keine Minenförderung mehr gäbe. Lt Wikipedia wurde aber zB 2018 4,56 Millionen Tonnen Blei abgebaut (hptsl. in China).
Energie- und Co2-Vergleich:
Um mir unter dem Energiebedarf von 19,4 GJoule/Tonne für Stahlprodukte etwas vorstellen zu können, habe ich diesen Wert mit dem Energiebedarf fürs Autofahren verglichen, da ja beim Angeln häufig auch eine Anfahrt zum Angelrevier erforderlich ist; analog den Co2-Ausstoß von 1,5 Tonnen Co2 pro Tonne Stahl:
Ich brauche nicht Tonnen pro Jahr, sondern mein Jahresbedarf an Stahlgewichten ist ca 1kg (zB 100Stk 10g-Köpfe). Dafür werden dann 19,4 MJ (= 5,4 kWh) benötigt und 1,5 kg Co2-ausgestoßen.
1 Liter Diesel zum Vergleich hat einen Energiewert (Heizwert) von 35,3 MJ (= 9,8kWh) Quelle
Für die Produktion von 1kg Stahl wird dann also jene Energiemenge benötigt, die in 19,4/35,3 = 0,55 Liter Diesel steckt. Bei einem Verbrauch von 5,5Liter/100km verbraucht man diese Menge bei einer Fahrtstrecke von 10km.
Der Co2-Ausstoß von 1Liter Diesel ist 2,65kg. (Quelle). 0,55 Liter erzeugen dann ca 1,46kg Co2.
Energiebedarf für die Herstellung der Jigs: (nur vereinfachte Behandlung des Themas)
Stahljigs: Hptsl. besteht Energiebedarf zum Schneiden des Schlitzes in die Stahlkugel. Meine Flex hat lt. Typenschild eine Leistung von 900W. Wenn ich annehme, dass ich pro Schlitz 30 Sekunden schneide, sind das bei 100Kugeln 100 x 30sek x 0,9kW = 2700kWs, also 0,75kWh
Bleijigs: Energie wird hptsl. für das Erhitzen des Bleis auf Schmelztemperatur benötigt. Ich habe mit Bleigießen keine Erfahrung, aber vielleicht wäre jemand, der selbst Bleigewichte gießt, so freundlich und macht hier eine Angabe, wieviel Energie dafür benötigt wird. Bei einem elektrischen Schmelzofen habe ich zB eine Leistungsangabe von 850W gesehen. Wie lange dauert es, um damit 1kg Blei zu schmelzen?
Tungstenjigs: Über den Herstellvorgang von Tungstenjigs weiß ich wenig, aber er dürfte auch deutlich aufwändiger wie bei Blei- und Stahljigs sein, denn bei einem Hersteller habe ich folgende Angabe gefunden: Zitat:“Der höhere Preis der Tungsten Jigheads entsteht durch das aufwendige Produktionsverfahren. Hierbei wird ein sehr großer Druck benötigt, um aus dem Tungsten Pulver die entsprechende Jigköpfe herzustellen.“ (Quelle). Hat ev. jemand genauere Infos über den nötigen Energieaufwand dazu?
Zusammenfassung:
- Die Ökobilanz für Stahl- und Bleijigs dürfte in etwa vergleichbar sein
- Die Ökobilanz für die Gewinnung von Wolfram und die Herstellung von Tungsten-Jigs dürfte um ein mehrfaches schlechter sein als bei Stahl und Blei.
- Die Umweltbelastung durch den Energiebedarf und den Co2-Ausstoß für die Herstellung von Jigs ist im Vergleich zur Umweltbelastung durchs Autofahren eher klein. Das heißt, sobald etwas längere Autofahrten zum Erreichen des Angelreviers erforderlich sind, relativiert sich über ein ganzes Angeljahr gesehen der Energiebedarf für die Produktion der Angelgewichte stark, sogar bei Tungsten. Und umgekehrt kann man die deutlich schlechtere Ökobilanz von Tungsten dadurch kompensieren, dass man bewusst auf die Fahrt der entsprechenden Kilometer (die mangels Kenntnis des Aufwands für die Jigherstellung noch nicht genau bekannt sind) mit dem Auto verzichtet. Den Nachteil von Blei (die Einbringung eines bioakkumulativen Giftstoffes in die Natur) kann man hingegen durch Nichts kompensieren, da abgerissene Bleie unwiederbringlich in Gewässern liegen.
Ich hoffe, meine Angaben stimmen in etwa. Ersuche um Rückmeldung etwaiger Fehler.
Erich
Nette Idee, aber letztlich zu kurz gedacht. Die Frage muss doch -wenn man diesen Weg denken möchte- zunächst einmal sein: Was ist eine Ökobilanz und wie wird diese definiert. Nur zum Beispiel: Wenn bei dem Abbau von Blei ganze Landstriche in China oder anderen Abbauländern vergiftet werden, wie misst man dies? Wie sieht's mit dem Einfluss der Energiequelle auf die Ökobilanz aus? Was ist also, wenn ich mein Tungsten mit Energie aus Solar- oder Windenergie presse, mein Stahl aber -wie in den Hauptförderländern- mittels dreckigsten Kohleöfen? Wurde berücksichtigt, dass Stahl (und ggf. auch Blei und Tungsten) tausende Kilometer hin und her transportiert wird? Wurde bei den von Dir geprüften Studien, die z.B. von der Stahllobby stammen jeweils der gleiche Maßstab für die unterschiedlichen Materialien angesetzt?
Solange dies nicht geklärt ist, bleiben die obigen Ausführungen oberflächliche Gedankenspiele. Wirklich vergleichbar wird man die "Ökobilanz" für den Weltmarkt nicht feststellen können auch wenn der Versuch natürlich löblich ist.
Was wir wissen ist, dass Blei eines der schlimmsten Umweltgifte weltweit ist (siehe nur zum Beispiel: https://www.sueddeutsche.de/wissen/...a.urn-newsml-dpa-com-20090101-151021-99-06488).
Was wir außerdem wissen ist, dass die Angler sicher nicht an erster Stelle der Umweltverschmutzer im Allgemeinen stehen. Aber was die Schlussfolgerung aus den bisherigen Diskussionen sein sollte ist m.E., dass wenn wir mit kleinen Maßnahmen (z.B. Tungsten oder Stahl zu verwenden, bei C&R Abhakmatten o.Ä. verwenden, nicht nur den eigenen Müll am Wasser mitnehmen etc.) eine kleine Verbesserung erreichen können, dies auch -verdammt nochmal- tun sollten.